Jimmy Reed

Urban Blues … fahr’n fahr’n fahr’n auf der Autobahn

Da liegt sie vor mir, die alte LP von Jimmy Reed. Er hat die Harp im Drahtgestell umgehängt, seine Augen unter einer dicken Sonnenbrille verborgen. Dazu seine ungewöhnliche Gitarre, eine Thin Twin K161 des US-Herstellers Kay, rot mit weissen Bindings.

Jimmy Reed - Thin Twin Kay

Hier ist sie, die „Thin Twin Kay“!

Später nannte man das Teil auch „Jimmy Reed-Gitarre“. Ein seltsam nostalgisches Gefühl kommt auf. Diese durchgängig gespielten Phrasen (waren das Riffs?), eine später von Chuck Berry übernommene „Begleitung“ fast jeden Stückes. Bekannt geworden durch den Song „Memphis Tennessie“, wobei der kleine Finger der Spielhand sich ständig hoch- und runterschiebend bewegt. 1-2-3-2-1-2-3-2. Schon alleine, wenn man diese Zählweise stakkatisch vor sich hinspricht, entsteht unweigerlich dieser Rhythmus, der ständig nach vorne treibt.

Jimmy Reed in den frühen 1960ern

Jimmy Reed, 1962

Wie damals auf der Autobahn nach Paris, Mitte der 60er. Nein, falsch, eine Autobahn dahin gabs ja noch nicht, man fuhr ja von Ort zu Ort und orientierte sich an den Straßenschildern „Paris“. Die fand man überall. Ich vermute heute noch, dass wir oft im Kreise fuhren. Aber wir hatten eine Musik dabei, die mir heute noch auf der Autobahn hilft, lange Strecken durchzuhalten. „Big Boss Man“, „Baby, What You Want Me To Do“ und dann das durchziehende, unglaublich motorisch, unglaublich treibende Riff. Eigentlich in jedem Song. Hält aber wach auch ohne die berühmten Little White Pills von Waylon Jannings.

Wir saßen im alten, klapprigen Kadett. Der war gerade mal 5 Jahre alt, aber das war damals schon irgendwie Obergrenze des Verfalldatums. Die alte Dame trennte sich von ihm schweren Herzens, meinte aber, dass er schon so verrostet sei, dass es sich nicht mehr lohnt, ihn weiter zu fahren. Walter konnte schweißen und ich fuhr ihn noch einige Jahre. Aber der Kadett hatte etwas, was unglaublich war.

Unter dem Armaturenbrett befand sich ein Philips-Kassettenspieler. Wahnsinn! Wir nahmen eine Kassette auf und hörten sie ununterbrochen. Jimmy Reed! Er war dabei und trieb mich an, ich hätte kein Benzin tanken müssen. „Bright Lights, Big City“ – es war noch Nacht und Paris, Big City, hatte tatsächlich die Lichter an. Wir wickelten uns in Decken, bis zum Frühstück. Croissants und Grande Noir, bei uns völlig unbekannt.

Jimmy Reed und Vee Jay

Vee Jay war sein erstes und für ihn erfolgreichstes Plattenlabel

Jimmy Reed, geboren am 6. September 1925 wurde gerade 51 Jahre alt, war ein Geheimtipp unter weitaus erfolgreicheren Musikern, von Jerry Lee Lewis über die Stones bis Elvis, die seine Songs interpretierten oder eben sich auch seines Rhythmus’, seines typischen „Shuffles“ bedienten. Bands wie AC/DC oder Status Quo wären später undenkbar ohne seine Achtel-Riffs. Allerdings muss man auch wissen, dass viele Gitarristen sich die Sache im Laufe der Jahre einfacher machten. Das 1-2-3-2-1-2-3-2 wurde kurzerhand zu einem einfacher durchzuhaltenden 1-2-1-2-1-2-1-2 gekürzt. Roll over Beethoven, dig it, the 2 by 2. Auch genial!

Wie an anderer Stelle in diesem Blog beschrieben, diente sich Mathis James Reed (so sein richtiger Name) mit seinem ständigen Begleiter und Mastermind Eddie Taylor (b/g), sehr oft als „Begleitmusiker“ an. So auch Muddy Waters, der sehr dankbar war für seinen drivin’ beat. Hier hielt sich Reed dann mit seiner markanten Stimme zurück, ließ höchtens mal sein Können auf der Harp durchblitzen. Ein cooler Typ, der durchaus wusste, dass und wie man Geld verdient.

Ach so: wem das 1-2-1-2 zu theoretisch ist: anhören!

Oder nachspielen auf der Gitarre: E-Dur (the Key of Blues) – die tiefe E-Saite wird durchlaufend angeschlagen, der Zeigefinger auf der A-Saite im 2. Bund (=1) gehalten und der kleine Finger wandert in der beschriebenen 1-2-3-2 oder auch 1-2-1-2 Folge den 4. und 5. Bund rauf und runter.

Eigentlich kein Riff. Die Geburtsstunde des Power-Chords. Denn du brauchst hier nur die beiden Saiten, E und A. Aber es funktioniert in allen Tonlagen.

Bright Lights, Big City! Ab auf die Autobahn!

Video: Bluesman Jimmy Reed in Houston 1975

Look & See: Jimmy Reed kurz vor seinem Tod 1975 in Houston.

„You Don’t Have To Go“ Hier kann man schön sehen, wie sein

Power-Riff-Chord 🙂 gespielt wird. Leider fummelt er am Toogle Switch herum und die Gitarre ist nach der ersten Hälfte des Songs nicht mehr präsent.

Eine schlechte, aber die Seele berührende Aufnahme.

 

„Baby What You Want Me To Do“ Interessant hierbei, wie noch kurz vor der Aufnahme bei Vee Jay Records mit Eddie Taylor der Text abgesprochen wurde.

 

Jimmy Reed – Aw Shucks, Hush Your Mouth (1962)

 

Comments

  1. Cool, really!

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